SIGNATUREN DES UNGLEICHGEWICHTS

von Mai 3, 2020Youtube0 Kommentare

Ich habe in meinem letzten Beitrag von Toxischer Hitze gesprochen, die gesamtgesellschaftlich, wie auch persönlich durch unsere bisherige Lebensweise nach dem Paradigma steten Wachstums, andauernder Optimierung befeuert wurde.

Diese Hitze beschleunigte Prozesse dermaßen stark, dass keine Zeit mehr blieb, bedächtig zu agieren, sich über längerfristige Konsequenzen Gedanken zu machen oder die Auswirkungen zu spüren, die unser Handeln auf andere Lebensbereiche hatte, auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen auf die Tier- und Pflanzenwelt, auf das Klima, auf unseren Körper. Wir überholten uns selbst, immer und immer wieder.

Was darunter zu leiden hatte, war das, was man in der Traditionellen Europäischen Medizin elementares Wasser nennt. Dazu gehören alle Formen von Ressourcen, auch Zeit, Energie, kreatives Potential, sowie die Fähigkeiten, sich zu entspannen, zu öffnen, inspirierbar zu werden. Wasser kühlt Feuer, hilft einen kühlen Kopf bewahren und hält emotionales Empfinden in einem gesunden Maß, ohne es dabei zu unterdrücken. Es beinhaltet die Fähigkeit, empathisch zu sein, sich zu verbinden, sich selbst und alles andere als Einheit, als verbundenes Netzwerk von Leben zu spüren. Jede/r Einzelne von uns hat in allem, was wir sind, tun, denken, wie wir entscheiden und handeln, in welchem Geist wir leben, Einfluss auf dieses Netzwerk.

Die indigenen Stämme wussten schon immer, dass alles, was wir tun Auswirkungen auf 7 Generationen haben wird.

Die Quantentheorie beschreibt es als den Einfluss des bewussten Beobachter, der die Wellenfunktion der Möglichkeiten zum kollabieren bringt und daraus elementare Realität entstehen lässt – für die er dann verantwortlich ist.

Es ist ein Grundgesetz der Natur, dass, was immer wir in Gang setzten und besonders in welcher Geisteshaltung wir dies tun, an uns gebunden ist. Mit anderen Worten, wir können uns der Verantwortung dafür und den Konsequenzen daraus nicht entziehen, auch wenn wir nicht wissen, auf welche Weise und wann sie auf uns zurückwirken werden. Wir durchschauen diese Gesetzmäßigkeiten einfach nicht, vielleicht noch nicht, vielleicht nie.

Wenn wir uns ausreichend lange überfordern, unser Regulationsgleichgewicht in eine Schieflage bringen, so wird  irgendein Teil des Systems, sei es das psychosoziale oder das körperliche uns die Verantwortung aus der Hand nehmen. Wir verlieren unseren Platz im sozialen Netzwerk, unseren Job, unsere Beziehung, oder werden krank. All diese Konsequenzen verlaufen in ihrer Art so, dass sie das entstandene Ungleichgewicht auszugleichen versuchen.

Wenn wir nun diese sogenannte Pandemiekrise betrachten, die Umstände, die sie uns aufzwingt, so fallen mehrere Symptome ins Auge.

  1. Die meisten von uns werden in die Ruhe gezwungen, in eine Bewegungsreduktion
  2. Wir werden auf uns selbst und auf die Nahebeziehungen, die Familie zurückgeworfen und zwar ohne große Chance zu entkommen
  3. Wir können uns nicht mehr von den Gefühlen ablenken, die in uns schlummern, für die wir immer und immer wieder keine Zeit hatten, da es ja so viel Wichtigeres zu erledigen galt
  4. Wir haben Zeit füreinander und unsere Kinder, nur dass wir oftmals nicht mehr wissen, wie wir angemessen miteinander umgehen sollen.
  5. Wir sind konfrontiert mit der Zerbrechlichkeit und großangelegten Abhängigkeit unseres ach so gepriesenen Systems und bekommen Angst um den Fortbestand dessen, was wir gewohnt waren.
  6. Uns fällt auf, dass mit einem Mal jene die „Helden“ sind, die wir zuvor kaum wahr genommen haben, die wir ausverkauft haben, durch die Konkurrenz aus Billiglohnländern zugrundegerichtet oder finanziell ausgehungert haben, wie alle Pflegeberufe.
  7. Vielleicht fällt uns auch auf, dass bisher der überwiegende Teil unserer Entscheidungen beinahe dogmatisch unter der Oberhoheit wirtschaftlicher Interessen, primär so genannter „rationaler“ Begründungen standen und Mitgefühl, soziales Gewissen, Intuition und Wissen ohne Rechtfertigung unter deren Stiefeln zertreten wurden
  8. Wir wurden zurückgestuft auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse – und glücklicherweise ist deren Sättigung für uns, im Gegensatz zu vielen auf der Welt schon lange, kein Problem – noch nicht
  9. Wir merken, wie schwer es uns fällt, uns selbst zu beschäftigen, das rasende Rad, an das wir uns gewohnt haben, wieder einzubremsen, zur Ruhe, zur Besinnung zu kommen.
  10. Wir merken, wie schnell sich die Natur ihren Lebensraum wieder zurückholt, wie schnell der Himmel wieder strahlend, die Luft wieder rein, das Wasser wieder klar wird, Delfine in die Häfen kommen – Ich habe allein gestern so viele Bienen gesehen, wie das ganze letzte Jahr zusammengenommen nicht. Das gilt auch für unsere eigene Natur. Sie würde wieder Verbindung herstellen und gewahr Sein, wenn wir sie ließen – und uns die angemessenen Fragen stellen lassen

Die Natur, dazu gehört auch unsere eigene wirkt ganz eigentümlich und für uns trotz Jahrhunderte währender wissenschaftlicher Erforschung unbegreiflich. Sie wirkt nämlich nie isoliert, sondern immer komplex vernetzt in Gleichungen mit so vielen Unbekannten, dass kein Computer die je zu lösen imstande wäre und mit so vielen Parametern, die wir nicht einmal wahrnehmen, da wir nicht imstande sind, sie zu messen.

Wie konnten wir nur derart überheblich sein, zu meinen, wir hätten alles unter Kontrolle?

Und wenn wir das nicht glaubten, wie konnten wir dann so naiv sein, zu meinen, dass unser Handeln ohne Konsequenzen bliebe und damit meine ich Konsequenzen, deren Auswirkungen für uns nicht mehr beherrschbar sein würden?

Was heißt dies also für uns?

Würden wir als Gesellschaftssystem in meine Praxis kommen, so würde ich nach dieser Form der Diagnose vielleicht Folgendes anbieten

  • Nehmen Sie das an, wozu sie zur Zeit gezwungen sind. Wehren Sie sich nicht dagegen, weil es nicht das ist, was sie gerne hätten und suchen Sie das in sich, das gerade aufatmet, sich daran freut, endlich den Raum hat, den es schon lange vermisst
  • Seien Sie achtsam, wenn Gefühle wir Wut, Frustration, Angst oder Zweifel sich auf andere projizieren wollen, Schuldige suchen, Feindbilder erschaffen. Jede, jeder von uns hat ihr/sein Scherflein dazu beigetragen, dass die Welt heute so ist, wie sie ist. Sie entstand durch die Umstände, an die Sie sich angepasst haben, oftmals trotz besseren Wissens oder Spürens, die Realität, die Sie sich dadurch geschaffen haben, die Meinungen, die sie weiter verbreitet und jene, die Sie unterdrückt haben. Es ist Zeit, zu hinterfragen, ins richtige Licht zu rücken, in Relation zu setzen
  • Gönnen Sie sich Ruhe, kochen Sie sich Gutes, wenden Sie sich sich selbst zu und jenen, die Ihnen am Herzen liegen und jenen, denen es vielleichtschlechter geht als Ihnen. Wir haben nur uns. Wir kennen jene, mit denen wir leben, die wir lieben, auf die wir uns eingelassen haben, denen wir uns auch schwach, verletzlich und überfordert gezeigt haben. Diejenigen, denen wir so viel Macht über unser Leben gegeben haben, PolitikerInnen, Wirtschaftskapitänen, dem Kapital, dem globalen Handel – Sie merken, jetzt wird es vollkommen unpersönlich, sie alle kennen wir nicht. Wir wissen nicht, wer sie sind, da sie entweder nur werbewirksam gestylt mit vorab geschriebenen Reden auftreten oder überhaupt nicht erkennbar im Hintergrund die Fäden ziehen, an welchen ganze Gesellschaftssysteme hängen
  • Nehmen Sie die soziale Distanzierung als Abbild dessen wahr, was sich innerhalb der letzten 10/20 Jahre entwickelt hat. Wir haben sukzessive an Verbundenheit verloren, da unsere Verbindungen an einem Mangel an Zeit, Geduld, Einfühlungsvermögen und Liebe gelitten haben, alles so genannte „unproduktive Tätigkeiten“
  • Üben Sie sich in Aufmerksamkeit, wie die Erscheinungen der Welt auf Sie wirken, was die halbstündlichen Nachrichten in Ihnen auslösen, das chaotische Informatiosspektrum der sozialen Medien, die Angst ihrer Mitmenschen, die permanente, manchmal sogar vernichtende Kritik, die gleichsam jeden trifft, der sich irgendwie zu Wort meldet.
  • Räumen Sie dem Nichtstun Zeit ein und beobachten Sie, wie sie darauf reagieren, welche Gefühle, Gedanken, Bilder und Empfindungen dabei entstehen.
  • Schreiben Sie Tagebuch und hören Sie dabei in sich hinein. Lassen Sie das zu Wort kommen, das bisher immer abgewürgt, kritisiert wurde, sich realitätsfern anhörte oder gar verträumt, was so gar nicht in den Räumen ihres Hamsterrad Platz hatte.
  • Träumen Sie und haben Sie den Mut, dabei unmäßig zu sein
  • Werden Sie kreativ, einfach nur aus Freude am Tun, nicht aus irgendwelchen berechnenden Erwartungen heraus.

Krisen setzen uns unter Druck, das ist unangenehm, insbesondere, wenn wir versuchen uns diesem Druck zu widersetzen. Das wäre in etwa so, als ob das Kind sich gegen die Wehen, die dazu da sind, es zur Welt zu bringen, stellen und im Mutterbauch zu bleiben versuchte. Dies wäre für Mutter und Kind tödlich.

Der Druck, den Krisen aufbauen, kann immer entwicklungs- und wachstumsfördernd genutzt werden. Eben dazu, etwas Neues auf die Welt zu bringen. Es gilt nun zu spüren, was in uns sich zu widersetzen sucht – das ist zumeist das Alte, das weichen muss – und was sich hinzugeben und zu wachsen bereit ist. Daraus ergibt sich ganz natürlich unsere Verantwortung, letzteres zu verstärken, ihm Aufmerksamkeit und Bedeutung entgegenzubringen und ersteres, zwar trauernd und in Dankbarkeit, aber dennoch zu verabschieden.

Wir schaffen Neues zwar immer gemeinsam, doch es entsteht im Inneren jeden, Jeder Einzelnen von uns.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie in den Kommentaren, etwas von Ihren Erfahrungen mit uns allen teilen würden, damit wir sehen, dass wir nicht allein sind, dass es uns an sich allen ähnlich ergeht, vielleicht mit einigen persönlichen Färbungen aber dennoch ähnlich.

Im nächsten Video werden wir uns sowohl mit körperlicher als auch mit geistiger Nährung beschäftigen, die der derzeitigen Situation angemessen ist.

Sollten in der Kommentarsektion Fragen auftauchen, so werde ich versuchen, diese, wenn möglich einzugliedern.

Ich wünsche Ihnen das Allerbeste

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