Was tun mit der Wut?

von Feb 18, 2021Uncategorized0 Kommentare

Wir kennen das wohl alle, dass Gespräche untereinander in einem Wirrwarr gegensätzlicher Meinungen immer lautstärker werden und schließlich entweder abgebrochen werden, um nicht die Beziehung zueinander wachsender Aggression zu opfern oder eben aufgrund derselben verloren gehen.

Beide Optionen hinterlassen einen unangenehmen Nachgeschmack der bis in Gefühle verzweifelter Hilflosigkeit hineinreichen kann. Es scheint, als hätten wir im Angesicht der herrschenden Krise alle Kompetenzen eines konstruktiven Austausches, eines einander Bereicherns eingebüßt.

Nach der aktuellen Wiederholung eines fruchtlosen Sackgassenerlebnisses eines Gespräches über die Sinnhaftigkeit aktueller Maßnahmen politischer Entscheidungsträger, sitze ich nun hier an meiner Tastatur und versuche meine Gedanken zu ordnen in Bezug auf die spürbare Einschränkung der Möglichkeiten gegenseitigen Verständnisses und Einfühlungsvermögens.

Was sind die Grundlagen von Kommunikation?

  1. Die Bedeutung, die ich meinem jeweiligen Gegenüber in meinem Leben zu geben bereit bin. Dies bezieht sich sowohl auf die emotionale Verbindung, die ich zu diesem Menschen habe, als auch auf den Einfluss seiner Entscheidungen auf mein Leben.
  2. Die Fähigkeit, unterschiedliche Standpunkte zu einem Thema nicht nur wert schätzen zu können, sondern auch ein gemeinsames Inventar dafür zu besitzen, den Wurzeln ihrer Gegensätzlichkeit auf den Grund gehen zu können. Dies beinhaltet die Bereitschaft, die eigenen Meinungen zum Gegenstand kritischer Hinterfragung zu machen, um sie auf ihre Wahrhaftigkeit zu prüfen.

Zum ersten Punkt

Da wir soziale Wesen sind, haben wir füreinander auf unterschiedlichen Ebenen Bedeutung. Wir leben in Verbindungen, die von Liebe, Gewohnheit und/oder sozialer Abhängigkeit gekennzeichnet sind. Erstere bedürfen unserer bewussten Zuwendung, da sie ansonsten erkalten und erfordern ein entsprechend hohes Maß an Einfühlungsvermögen, das sich aus der Wichtigkeit, die ein Mensch für uns auf emotionaler Ebene besitzt, ergibt.

Die Gewohnheit innerhalb einer Beziehung ist für sich gesehen bereits eine ganz andere Qualität. Darin ist das jeweilige Gegenüber Teil des Inventars unseres Lebens, vergleichbar mit einem vertrauten Einrichtungsgegenstand, welcher ein Bestandteil eines vertrauten Ordnungsgefüges ist. Wir neigen dazu, Gewohntes als selbstverständlich an- und seinen tatsächlichen Wert für uns zu übersehen, zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, an dem es aus dieser Ordnung herauszufallen droht. Dementsprechend niedrig ist auch zumeist die Aufmerksamkeit, die dieser Mensch von uns bekommt. Sollte es dann zu einer Erschütterung kommen, wie dies eine nachhaltige Differenz im Hinblick auf eine Thematik, wie die derzeit uns beschäftigende sein kann, so gerät jene Ordnung in einen Spannungszustand, der imstande wäre, genau das zu gefährden, das Ordnung für uns darstellt, nämlich Teil eines vertrauten Ruhepols in unserem Leben zu sein, der seine Kraft daraus bezieht, dass er in der Zeit stabil, eben unverändert geblieben ist. Und dazu gehört auch die Qualität der sozialen Abhängigkeit. Wir sind angewiesen auf beständige Strukturen, am allermeisten dort, wo wir in unseren Bewegungsspielräumen von ihnen abhängig sind. Wir können zum Beispiel nur dann unserer Erwerbsarbeit nachgehen, wenn wir uns darauf verlassen können, dass unsere Kinder in der Schule gut aufgehoben sind. Wir können uns nur auf halbwegs verlässlichen Bahnen durch die Welt bewegen, wenn wir Räume von Rechtssicherheit haben, innerhalb derer wir gelernt haben miteinander zu interagieren.

Dies alles beeinflusst unsere Art, miteinander umzugehen oder eben auch zu kommunizieren. Wir müssen uns angemessen auf die Regeln verlassen können, auf die wir uns geeinigt haben. Wir können sie verbessern, so dass sie uns immer vielfältigere Spielräume für gegenseitige Bereicherung ermöglichen, doch sollten wir überaus achtsam sein, wenn wir eine gegenteilige Bewegungsrichtung ausmachen. Doch eine ebensolche ist bereits seit längerem spürbar. Dass Menschen unterschiedliche Meinungen und Standpunkte entwickeln, ist nun nichts Neues. Deshalb haben wir über die Generationen hinweg Umgangsformen innerhalb von Diskursen entwickelt, die es uns möglich machen, Konsens zu finden, innerhalb derer möglichst viele Anteile des Gegensätzlichen Platz bekommen können. Auf diese Weise erhalten wir einander gewohnte Lebensräume, Ordnungen, innerhalb derer wir uns angemessen sicher fühlen dürfen.

Doch daran hat sich Nachhaltiges verändert. Eben diese Räume wurden und werden erschüttert, bei den Einen mehr, bei den Anderen noch weniger.

Auslöser von Wut Nummer eins

Unser gewohntes Ordnungssystem wird nachhaltig gestört. Jenes, das wir für verlässlich und belastbar gehalten haben, verliert seine Stabilität und unsere Bemühungen, diese zu erhalten, erweisen sich zunehmend als fruchtlos. Dies entspricht der verzweifelten Wut jener, deren mühsam errichteten Häuser von einem Aggressor angegriffen und schrittweise zerstört werden.

Es ist die Wut, Vertrautes loszulassen, die uns hier erfasst, die zweite Stufe der Trauer, wenn wir merken, dass uns etwas entrissen zu werden droht, ohne dass wir etwas dagegen zu tun imstande wären. In ihr mobilisieren wir alle erdenklichen Kräfte, das möglicherweise Unvermeidbare doch noch in andere Bahnen zu lenken und sie ist zumeist von sturem Beharren auf dem Gewohnten und vom Mut der Verzweiflung angetrieben. Naturgemäß sind weder Sturheit, noch Wut oder gar Verzweiflung  gute Gesprächspartner. Sie bringen Erstarrung, Hitzigkeit und Verzerrung in jeden Diskurs und erschweren konstruktive Auseinandersetzungen oder machen sie zumeist unmöglich.

Innerhalb solcher Emotionen suchen wir UnterstützerInnen und MitstreiterInnnen für unsere Sache, deren möglicher Verlust uns über die Maßen zu erschüttern imstande wäre.

Wenn es uns nicht möglich ist, diese mächtigen Triebfedern innerhalb einer Kommunikation einzugestehen, so werden wir keinen anderen Ausgang derselben, als den von uns angestrebten gelten lassen und haben von vorne herein den Boden dessen verlassen, das man Kommunikation, also einen Akt des „sich gemeinsam Machens“ nennen könnte.

Zum zweiten Punkt

Die Werkzeuge, mittels derer wir voneinander verschiedene Meinungen auf ihre Wahrhaftigkeit und damit Bedeutsamkeit für das Gemeinsame durchleuchten.

Da ist zuallererst die persönliche Wichtigkeit, welche eine Meinung für jenen hat, der diese für sich gefunden hat und zum Ausdruck bringt. So ist für einen Menschen in prekärer Ausgangslage die Bedeutung grundlegender Existenzsicherung sicherlich von höherer Bedeutung, als sie dies für jemanden sein muss, der in wohlhabenden Verhältnissen lebt. Dementsprechend werden ihrer beider Standpunkte zu jeder, diese Unterschiedlichkeit betreffenden Thematik naturgemäß eine andere Färbung besitzen, der Rechnung getragen werden muss, will man nicht die Verbindung zum jeweiligen Gegenüber verlieren.

Dazu bedarf es die Hintergründe des Gegenübers kennen zu lernen, auf deren Boden sich dessen Anschauung entwickelt hat. Diese Hintergründe sind Teil des Blickwinkels, von welchem aus er das jeweilige Thema betrachtet. Je vielfältiger diese Blickwinkel gestaltet sind, umso mehr können wir die unterschiedlichen Facetten jener Thematik erkennen, die im Mittelpunkt unserer gemeinsamen Aufmerksamkeit steht. Hier befinden wir uns auf dem Boden individueller und damit zumeist hochgradig subjektiver Anschauungen, denen wir innerhalb eines differenzierten Sozialverhaltens derart begegnen sollten, dass die Würde aller daran Beteiligten gewahrt bleiben kann.

Auslöser von Wut Nummer 2

Die Verletzung der Würde des Menschen. Anerkennung innerhalb des jeweiligen So-Seins ist ein hohes Gut, welches es uns gestattet jener Vielfalt menschlicher Eigenart Ausdruck zu verleihen, die den Reichtum einer jeden Gesellschaft ausmacht. Sie ist der Nährboden von gegenseitiger Inspiration und Entwicklung, aber auch von Resilienz gegenüber Bedrohungen, denen wir dann mit einem hohen Maß an Kreativität zu begegnen imstande sind. Darin hat jeder Mensch seine Bedeutung, die per se gewürdigt werden muss, auch wenn ihr Wert nicht von vorne herein von allen erfasst zu werden vermag. Darauf gründen die Menschenrechte.

Eine Verletzung dieses Wertes, ist eine Verletzung der Würde, ist eine Verletzung der Grenzen eines Menschen, und darauf antwortet unser Gemüt mit Aggression.

Das bedeutet, dass, sobald wir innerhalb einer Kommunikation einander würdelos behandeln, sich augenblicklich die Aufmerksamkeit von der jeweiligen Thematik auf eine des gegenseitigen Respekts verschiebt. Und so lange dies nicht geklärt ist, werden die zentralen Punkte, derentwegen wir in ein Gespräch eingetreten sind, in den Hintergrund rücken und nur mehr zu einer Art Stellvertreterkrieg für die eigene Würdigung missbraucht werden.

Die erwähnten Auslöser von Aggression bedürfen einer aktiven Zuwendung, um die Verbindung zwischen den beteiligten Menschen nicht zu (zer-)stören. Denn ebendies geschieht in zunehmendem Maße innerhalb von Beziehungen verschiedenster Art. Wir könnten die Gelegenheit ergreifen und unseren Umgang mit gegenseitigem Austausch von Meinungen, Gesprächsführung und auch Respekt zu beleuchten.

Doch es gibt noch eine Variante innerhalb von Kommunikation, die als Aggressionsauslöser fungiert, und eben diese betrifft mich immer wieder persönlich:

Auslöser von Wut Nummer 3

Der mangelnde Wille und/oder die vernachlässigte Fähigkeit zu klarem Denken. Wir haben innerhalb der letzten Jahrhunderte Werkzeuge entwickelt, subjektive Wahrnehmungen der Realität aus unserem persönlichen Bezug heraus zu lösen und uns derart von individuellen Annahmen hin zu generelleren Wahrheiten bewegen zu können, die nicht mehr automatisch mit subjektiven Interpretationen verbunden sein müssen. Dies ist ein wissenschaftlich klares Denken, das auf den Gesetzen von Logik basiert, auf Evidenz und der damit verbundenen Art, Daten zu einer bestimmten Wahrnehmung der Wirklichkeit zu sammeln, welche es möglich machen, Hypothesen, die zum jeweiligen Thema gebildet wurden, auf ihre Stimmigkeit und ihren Realitätsbezug zu prüfen. Es ist dies zwar ein mühsamer und manches Mal auch langwieriger Prozess, doch er leistet zumeist, wenn er ernsthaft betrieben wird, große Dienste im Zusammenhang mit dem Erhalt zwischenmenschlicher Beziehungen. Denn subjektive Meinungen sind, wie oben bereits erwähnt, sehr dazu angetan, Menschen zu entzweien und Diskussionen auf die Ebene von Persönlichem, Rechthaberei und Machtausübung zu heben.

Dass wir uns täuschen können, möge hier als erfahrungsgemäße Voraussetzung angesehen werden. Ein Mittel zu besitzen, solche Täuschungen zu erkennen, sollte als wertvolles Werkzeug hohe Anerkennung erhalten. Wir sollten uns auch gewahr sein, dass diese Art des Denkens und seiner Überprüfung nicht ein rein universitäres ist, sondern dass jede/r von uns dazu fähig ist, sobald er/sie bereit ist, die eigenen Annahmen in Frage stellen zu lassen und sie auf ihren Realitätsbezug zu prüfen.

Doch wenn, wie dies aktuell gerade der Fall ist, scheinbar willkürlich jede Regel dieser Art differenzierten Denkens verletzt und durch Meinungsmache, Propaganda, Verleumdung und Zensur ersetzt wird, um dann auf den eigenen, weder validierten, noch durch bereinigte Fakten unterstützten, persönlichen Hypothesen als Wahrheit zu bestehen, dann ist verzweifelte Wut eine Antwort, die einer Ohnmacht gleichkommt.

Das ist das Ende vernünftiger, wertschätzender und würdevoller Kommunikation. Es werden Meinungen als Begründungen ins Feld geführt, die weder in Frage gestellt, geschweige denn überprüft wurden. Es werden logische Kurzschlüsse als Argumentation verwendet wie „welchen Grund sollten sie denn für dieses Handeln haben, wenn es denn falsch wäre?“ …

Es ist als würden unsere individuellen Welten aus subjektiven Interpretationen der Realität so weit auseinanderdriften, dass wir einander nicht mehr zu erreichen fähig und in wachsendem Maße aktuelle Themen, die unser aller Leben betreffen, auszuklammern gezwungen sind.

Die Mitglieder der Herde werden einander entweder zum Wolf oder zu einer verstummten Umgebung. Und das ist es, was mich wütend macht.

Die apathische Selbstaufgabe des Menschlichen. Was uns zuallererst vom Tier unterscheidet, ist die Fähigkeit, Fragen zu stellen. Ja, dies ist uns nicht nur Fähigkeit, sondern geradezu Notwendigkeit, da wir, im Gegensatz zum Tiere, nicht nur von der Macht des Triebes und des Instinktes gemäß der Natur und des ihr innewohnenden Gleichgewichts geführt werden, sondern eben durch das Denken eine Mächtigkeit erlangt haben, welche ob ihrer potentiellen Bedrohung einer Selbstregulation bedarf. Ohne diese werden wir weiter gehen auf dem Weg des blindwütenden Raubtiers, das jedes Maß verloren hat. Und wir werden uns in unserem nagenden Hunger nach mehr schließlich selbst verschlingen. Die Liebe zu- und die Achtung voreinander sind, nach jenen zu den anderen Lebensreichen auf der Erde, die nächsten Opfer. Wir stumpfen zusehends ab, folgen in einer Art von lethargischer Ermüdung, welche aus Formen der Zermürbung erwächst, die wir innerhalb der letzten Monate, aber auch schon der Jahre davor erleben mussten, dem scheinbar einfachsten Weg, der uns vor die Füße gelegt wird, ohne diesen noch irgendwie vernunftbegabt kritisch zu durchleuchten und geben damit schrittweise jedwede Verantwortung für unsere Entscheidungen ab. Diese konzentrieren sich um den kleinen Raum persönlicher Erleichterungen und Befriedigung.

„Wenn sie unsere Kinder testen, dürfen wir sie wieder in die Obhut eines inzwischen als entwicklungsfeindlich zu geltenden Schulsystems abgeben, welches die psychischen Belastungen der uns Anvertrauten in zunehmendem Maße ignoriert.“ Aber Letzteres denken wir schon nicht mehr.

„Wenn wir geimpft sind, dann dürfen wir wieder auf Urlaub fliegen und zur alten Normalität zurückkehren, auch wenn der Gleichheitsgrundsatz, ein zentrales Menschenrecht, Unterschiede zwischen Geimpften und Ungeimpften verbietet (lt. Europarat) und die Impfungen selbst nicht davor schützen, andere anzustecken.“ Aber soweit denken wir schon nicht mehr!

Wenn wir einander brav mit immer dichteren Masken weiträumig aus dem Weg gehen, dann werden sie die Maßnahmen irgendwann lockern, die ja notwendig waren/sind, wegen, ja, weswegen eigentlich? Denn im Laufe der Monate haben sich die Begründungen immer wieder geändert, wurden die Fallzahlen mithilfe nicht validierter, ja sogar dezidiert ungeeigneter Testmethoden, in unbereinigter Form gleichsam beliebig jongliert und mit Grenzwerten versehen, wie jene der vorhandenen, oder nur für C-Patienten reservierte Intensivbetten, kumulierten, nicht in Relation gesetzten, höchst unscharf definierten Todesfällen (mit und an C) oder nun mit dem beliebten Inzidenzwert belegt. Doch das ist zum Denken viel zu verwirrend, klingt unheimlich kompliziert und riecht nach großer Anstrengung, also Maske auf, Nadel rein und Schimpfen auf alle, die sich nicht dran halten wollen, weil sie sich vielleicht die Mühe machen, sich durch das Dickicht widersprüchlicher, fadenscheiniger, unseriöser, wissenschaftlich unhaltbarer Behauptungen zu wühlen, um schlussendlich zu einer bestürzenden Erkenntnis zu kommen:

Es wurde jedwede Verhältnismäßigkeit geopfert auf einem Altar, dessen Gott Kontrolle, Verwirrung, Verblendung, Manipulation und Macht einfordert über die Seelen der Menschen. Und seine Diener, die er in die hohen Positionen von Wirtschaft und Politik gehievt hatte, treiben die Schafe vor sich her.

Also, tief durchatmen, in Verbindung bleiben mit sich selbst, weiterhin ein klares Denken pflegen, welches mit Herzenskraft durchsetzt ist und in Verbindung bleiben mit Menschen, deren Blick noch offen, deren Geist noch nach Freiheit strebt und deren Herz noch um die Liebe weiß.

0 Kommentare